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Spreewaldmarathon 2018 - Teilnahme selbstverständlich

Am besten ich fange bei der Anreise an. Diese gestaltete sich etwas hektisch. Ich bin mir in Sachen rechtzeitige Anreise treu geblieben und ordentlich zu spät gekommen. Allerdings fiel das nicht allzusehr auf, da ein Stau auf der A4 auch die anderen etwas später erscheinen ließ. Es sollte im Übrigen wohl ein Zeichen sein, das ich während der Anreise wegen zu sportlicher Fahrweise polizeilich erfasst wurde, aber so kam ich immerhin noch rechtzeitig zum Hotel, um das vorbereitete Abendessen einzunehmen. Es ist sowieso der vorzüglichen Organisation zu verdanken, dass ich weder hungern musste noch gezwungen war, im Auto zu schlafen, dafür an dieser Stelle nochmal einen herzlichen Dank!

Nach einer geruhsamen Nacht, die allerdings nur bis zehn vor sechs dauerte, war der Anreisestress natürlich verflogen und die Vorfreude auf die Tour bestimmte die Atmosphäre beim Frühstück. Offensichtlich war ich mit meiner Unsicherheit, welche Kleidung zum Frühstück angebracht sei, nicht allein. Während einige, darunter auch ich, aussahen als würden Sie nach dem Frühstück wieder die Heimreise antreten, waren bei den Anderen die sportlichen Ambitionen bereits nicht zu übersehen. Letztlich konnte sich die Mannschaft dann aber auf traditionelle, wohlgemerkt kurze, Radsportbekleidung in weiß und türkis einigen. Die war angesichts des fast surrealistisch schönen Wetters mehr als angezeigt. Alles in allem lief die morgendliche Vorbereitung auf den Marathon völlig reibungslos. Alle Räder waren startklar und die Fahrer sowie Ricarda als einzige Frau im Feld rollten zum Start auf die Schlossinsel in Lübben.

Zeitgleich mit der Ankunft am Start erschien auch die Sonne hinter den "Bergen" des Spreewalds. Ob das jetzt mit unserem Eintreffen zu tun hatte, kann ich weder bestätigen noch dementieren. Jedenfalls fielen wir recht schnell dem sehr interessierten, aber in Sachen Fahrradtechnik nicht sehr versierten Moderator auf und mussten unsere Erheiterung über seine Kommentierung überspielen. Mannschaftskapitän Thomas musste dennoch ein Statement  abgeben, und nun wusste jeder auf dem Gelände, mit wem sie es da auf den nächsten 200 km zu tun bekommen. Wir haben damit auch offensichtlich dem Herrn zwei Reihen weiter hinten die Show gestohlen. Der hatte nämlich seinen Helm extra mit einer Stoffgurke geschmückt. Vielleicht hätte er doch noch zu Ruhm kommen können, wenn er sich einen Achim-Menzel-Bart angeklebt hätte - er wäre wahrscheinlich zum Maskottchen der Veranstaltung geworden.

Es vergingen nur noch wenige Minuten nach dieser Begebenheit, bis sich eine beachtliche Zahl an Fahrern hinter uns aufbaute und eine dramatisch düstere Stimme aus den Lautsprechern der Diskothek "Hektik" einen Countdown bis zum Start abzählte. Aus meiner Sicht hätte auch ein einfaches "Los geht's" gereicht, aber wie sich später auf der Fahrt herausstellte, muss es für einige der Teilnehmer, die sich an unsere Gruppe hängen wollten, zu dramatischen Selbsterkenntnissen gekommen sein. Somit befanden wir uns auf dem Weg von der Schlossinsel, um uns dann auf dem ersten Kilometer zu formieren. Und in dieser Formationen sind wir die Distanz dann auch komplett durchgefahren! Es wird mir sicher immer in bester Erinnerung bleiben, dass nicht ein einziges mal jemand aus der Gruppe gefallen ist. Allerdings gebe ich zu, dass meine Verdienste daran nicht allzu groß waren. Im Gegenteil, meine recht spartanische Ausstattung an digitalem Radzubehör in Form einer Pulsuhr gab mir selten die Möglichkeit, mein Tempo gruppenverträglich zu gestalten.

Als Tachoersatz nutzte ich dann während der Fahrt die freundlichen Hinweise aus der Gruppe  oder wahlweise den erkennbaren Erschöpfungszustand von Fahrern, die an uns dran bleiben wollten. Das war zum Leidwesen einiger Marathonteilnehmer besonders auf den ersten Kilometern nicht so einfach. Nachdem Kapitän Thomas und Falk bereits im Prolog ein zügiges Tempo vorgelegt hatten, übernahmen jetzt der zweite Thomas und ich die Spitze der Gruppe. Auf diese Art schoben wir uns mit einem 38´er Schnitt an etlichen Gruppen vorbei. Vereinzelt konnten sich einige Fahrer an uns dranhängen, aber spätestens bei der ersten Verpflegungsstation, die wir nach unserem reichlichen Frühstück nicht nötig hatten, waren Sie verschwunden. Es gab natürlich auch Fahrer, die uns mühelos abgehangen haben, eine schnellere und größere Gruppe, die dann auch noch von Anfang bis Ende zusammenhält, hat es aber bestimmt nicht gegeben.

Der Rhythmus hat einfach gestimmt und jeder hatte für sich seinen Platz in der Formation gefunden. Kapitän Thomas, Falk, der zweite Thomas und ich waren irgendwie immer vorn, Philip, Ricarda, Jan, Tillman und Toni mittendrin oder in der "Verfolgung". Wobei Toni im Stealth-Modus gefahren ist. Erst am Ende der Strecke war er plötzlich wieder sichtbar. Bis dahin waren es jedoch noch einige Kilometer und viel schöne Landschaft. Eine Verpflegungsstation nach der anderen ließen wir dabei aus, um zum kulinarisch wertvollsten Stützpunkt zu gelangen. Dort sollte es Plinsen geben, eine Art Pfannkuchen, von denen im Vorfeld mehrfach in hohen Tönen geschwärmt wurde. Leider wurde daraus nichts, da an einem entscheidenden Punkt die Beschilderung fehlte und wir somit ungewollt die Strecke gekürzt hatten und eben keine Plinsen bekamen.

Meinen Ärger hat man mir glaube angemerkt und es dauerte zugegebenermaßen einige Kilometer, bis sich das wieder einpegelte. Dazu trug auch ein Teilnehmer bei, der sein Glück bei uns versuchen wollte und sich redlich Mühe gab, unser Tempo zu halten. Es nützte leider nicht viel, nach einer Weile gemeinsamer Fahrt an der Gruppenspitze veränderte sich sein Fahrstil und sah recht verkrampft aus. Während alle anderen wie auf einem Hollandrad saßen, versuchte er sich an einer Position am Unterlenker. Kurze Zeit später reichte ihm wohl die angenehme Spreewaldluft nicht mehr und er fiel aus der Gruppe. Zumindest hat er für Unterhaltung gesorgt, auch wenn Falk Bedenken hatte, dass er durch seine hektischen Bewegungen den Lenker abreißt. Ich hoffe jedenfalls, dass es ihm gut geht.

Mir ging es jedenfalls auf der gesamten Distanz recht gut. Das könnte auch eine Antwort auf die Frage vom Kapitän sein, der sich auf den letzten 50 km nach der Herkunft meiner Form erkundigte. Im O-Ton lautete die Frage: "Woher nimmst du denn deine Form?" Durch den Kontext der Sportveranstaltung ergab sich für mich recht schnell die Frage nach meinem aktuellen Leistungsvermögen. In Gedanken fragte ich mich jedoch, welche Antwort er bekommen hätte, wenn er das eine Fahrerin gefragt hätte. Irgendwie ist es beängstigend, wie niederschwellig mein Humor nach 150 km Radfahren ist. Auf jeden Fall fiel meine Antwort eher unpräzise aus: "Ähm, keine Ahnung, ich fahre halt einfach." In diesem Sinne ging es durch Burg und weiter auf eher engen Radwegen. Dort gab es zwar keine Autos, aber dafür Touristen und Leute, die ihre Räder gerade so beschleunigten, dass sie nicht umfielen. Man kann eben nicht alles haben.

Die letzten Kilometer der Strecke vergingen wie im Flug und plötzlich fanden wir uns schon wieder in Lübben wieder. Wenn auch verkürzt, hatten am Ende glaube alle ihren Frieden mit den 170 km gemacht. Das Teamerlebnis, das fantastische Wetter und die Gurke in Gold ließen einfach keine schlechte Laune zu. Hierzu trug auch die exzellente Versorgung mit Getränken und eingelegten Köstlichkeiten im Ziel bei. Man konnte sich so oft etwas holen wie man wollte und dann einfach in die Sonne setzen. Jeder definiert ja paradiesische Zustände anders, aus meiner Sicht war dieser Tag jedenfalls eine mögliche Definition davon. Insofern freue ich mich auf den 17. Spreewaldmarathon 2019. Dann aber mit Plinsen!

Beste Grüße,
Fabian



 Und nun Ricarda, die ihren ersten Marathon absolviert hat:

Auf die Gurke  - fertig – los!!!

 

Marathon? Wie kam ich eigentlich drauf? Irgendwann Mitte 2017 hat es sich in meinem Kopf festgesetzt. 2017 war ein tolles Jahr für mich, Tour Transalp, Radcore extreme, Alpenbrevet, irgendwie alles krasse Dinger, die ich mir vor 2 Jahren im Leben nicht zugetraut hätte. Beim Laufen habe ich dann auch festgestellt, dass ich alles andere als eine Schnecke bin. Jedenfalls hab ich mir dann so überlegt, dass 2017 noch ein Marathon sein müsste. Natürlich hab ich das nicht geschafft, ich wollte ja auch nicht weniger Rad fahren, und meine Kubaradreise hat das Ziel dann einfach richig verschoben. Und dann ist mir der Spreewald wieder eingefallen. Das waren 2016 meine ersten 200km. Eigentlich für mich wenig reizvoll, weil ohne Anstiege, erinnerte ich mich daran, dass man ja am nächsten Tag auch laufen konnte. Und damit gewann die Veranstaltung wieder deutlich an Attraktivität. Wenn schon, dann wollte ich´s mir richtig geben und auch mal gucken, wie weit man die Grenzen so verschieben kann.  Die Vorbereitung war zu Beginn spannend und dann zunehmend mühsam. Der Verzicht auf die für mich physiologischste und natürlichste sportliche Aktivität – die körperliche Trennung von meiner geliebten blauweißen Italienerin - machten mir sehr zu schaffen. Die langen Läufe durch dunkle kalte Nächte, während normale Menschen sich drin Herz und Hintern wärmten, führten mich hin und wieder an die Grenze des Selbstmitleides. Meine fehlende Radkondition habe ich dann versucht, in Gran Canaria aufzubauen, indem ich dort tagelang bergauf fuhr (wie eben im Spreewald) und damit meinen lieben Freund Jan auf eine harte Probe in Sachen Kompromiss- und Leidensfähigkeit stellte (er ertrugs mit Demut und Liebenswürdigkeit). Nach einer Woche Beinschmerz (ich verfluchte meine Höhenmetersucht) wurde ich gerade rechtzeitig zum Spreewaldradmarathon wieder fit. Die abgekürzten 170 km habe ich mich brav im Windschatten gehalten. Mein Ziel für die 42 km hatte ich freimütig schon im März verkündet: "Also ne 3 muss da schon vorne stehen". Da kam ich jetzt nicht drumherum. Die Beine mussten also frisch gehalten werden.

 

Dann ist es soweit, Sonntag der 22.4.2018. Am Morgen denke ich noch, ich wäre völlig gelassen, merke dann aber schnell, wie es mir die Innereien verdreht. Bin ich sonst der Meinung, ein recht komplexes Denken zu haben, beschränken sich meine Gedanken nunmehr im Wesentlichen auf Verdauung, Schnürsenkel, "Wohinmitdemgel?" und "hrgggs". Das Stangnermobil, Familie Beck und mein lieber Freund Jan und ich starten nach Burg, und schon auf dem Parkplatz bin ich ein reines Nervenbündel. Ich schaffs auch nur noch, auf Toilette zu gehen und muss mir dann, völlig egoistisch und ohne auf die anderen zu achten, einen Platz in der Masse suchen. Thomas, der lange Kerl, ist in der Menge leicht auszumachen, ich drängel mich ein wenig nach hinten und starte dann mit Thomas und Thomas. Die Massen setzen sich langsam, sehr langsam in Bewegung. Das Wetter ist prima, die Stimmung super. Ab jetzt läuft es einfach. Nach 4 km holt mich mein lieber Freund Jan ein, und dampft dann in seine schnellen 10 km davon. Ich laufe ruhig, gleichmäßig, alles ist gut. Bis km 21 läuft´s, als wäre es nix. Die Pausen hinter dem Busch sind lästig, aber nicht wirklich schlimm. Ab und zu ergibt sich ein nettes Schwätzchen und macht die Sache kurzweiliger. Wie Toni mir vorausgesagt hat, wirds ab km 27 etwas zäh, eher mental, die Beine sind gut. Und dann weiß ich, dass ich durchkommen werde, dass 4 Stunden realistisch sind, dass schneller wahrscheinlich auch gehen würde. Ich riskier´s aber lieber nicht, mir fehlt die Erfahrung. Die Schmerzen kommen ab km 37, sind dann aber schon nicht mehr wichtig, denn das Ziel ist so nah. Ich muss nicht langsamer werden. Da ist noch Luft. Diese Erkenntnis beflügelt mich. Ich sehe nun viele Läufer am Rande der Erschöpfung, gehend. Ich hole einige ein, die mich am Anfang überholt haben. Dann sind´s noch eine Cola und 2 km. Es gibt kein Halten mehr. 500m. In der letzten Kurve steht Familie Stangner und feuert mich begeisert, begeisternd an. 500 m. Da geht noch was. Ich muss gut aussehen im Ziel, locker. Der Jan steht dort. 100 m. Applaus. Ziel. Ich reiße die Arme hoch. Jubel. Der Jan steht dort. Es gibt ´ne vergoldete Gurke. 3 Stunden 58 Minuten. Wirklich? War ich das? Der Jan steht dort. Kuchen. Muss Bier trinken......   Haaaaaaach.

 

Ich hab´s wirklich getan. Ich hab´s wirklich geschafft. Es tut ein bisschen weh, aber weniger als befürchtet. Ich hole mir die Urkunde: 7. Frau und 2. der Altersklasse. Wirklich? War ich jetzt schnell oder einfach alle langsam? Ich freu mich und meine Freunde freuen sich mit. Das ist toll. Das ist unglaublich schön. Wieder einmal stelle ich fest, dass der Sport mir vieles gibt, und das Beste sind womöglich die Sportsfreunde. Es war ein wunderbares Wochenende. Es war Sommer im April. Es bleibt. Es ist meins, unseres.

 

Eure Ricarda

 

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Steckbrief

Spreewaldmarathon
21. und 22.04.2018
Lübben und Burg/Spreewald, Deutschland
12 Teilnehmer des Vereins
200 km Radeln rund um Lübben
70 km Radeln rund um Lübben
M Laufen in Burg
HM Laufen in Burg
10 km Laufen in Burg
Platzierungen:
Ricarda von Repel M
Platz 2 AK

Zeit: 3:58 h
Toni Seckel HM
Platz 4 AK

Zeit: 1:26 h
Dazu gratulieren wir sehr herzlich!

Fotos

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